Glaubenskrise – und jetzt?

Überall gibt es Krisen. Im Großen und im Kleinen. Durch die Medien erfahren wir von „Krisenherden“ in der ganzen Welt, aber auch selbst finden wir uns früher oder später betroffen von mindestens einer Krise. Sei es eine Krise in der Partnerschaft oder Ehe, der Arbeitgeber meldet Insolvenz an und muss Arbeitnehmer entlassen und und und… Beispiele für Krisen gibt es zuhauf. Auch Glaubenskrisen.

Durch etliche Vorbilder, Menschen, die mich geprägt haben, habe ich einen starken Glauben entwickelt. Fand Halt und Sicherheit, Trost und Hoffnung, auch wenn das Leben mir noch so übel mitspielte.

Bis zu dem Abend im Februar, an dem ich vom Tod einer Freundin erfuhr. Ich hatte sie während meines Freiwilligen-Dienstes in Taizé kennengelernt, auch nach unserem Aufhenthalt sind wir in Kontakt geblieben. Sie hatte wenige Tage zuvor ihren 21. Geburtstag gehabt, wir hatten telefoniert. Ich wollte es nicht verstehen, nicht zulassen… hatte ich doch erst vor Kurzem vom Tod einer anderen erfahren, die ich von Taizé kannte. Ein Jahr vorher war eine aus dem Trachtenverin mit 25 Jahren verstorben… und jetzt meine Freundin mit 21. Die darauf folgenden Tage aß und trank ich kaum noch, von Schlaf konnte auch keine Rede mehr sein. Ich ging nach wie vor zur Arbeit, pflegte die alten Menschen, aber ich spürte, dass ich es nicht mehr mit der Energie, mit der Freude machen konnte, die ich vorher hatte. Ich stürzte mich regelrecht in Arbeit, sprang ein – die Fachkräfte waren froh, dass ich mich vor allem für die langen Dienste anbot – später auch über die Feiertage. Ich arbeitete, hatte zwischendurch ein paar Wochen Blockschule, schrieb Prüfungen, eine Facharbeit, bereitete Praxisbesuche vor – aber ich spürte nichts mehr.

Wenn ich in dieser Zeit in den Spiegel sah, dann vermied ich bewusst mir dabei in die Augen zu schauen. Weil ich wusste, ich würde die Leere, diese Gefühllosigkeit in meinem Blick sehen. Ich war blass, wurde in dieser Zeit oft gefragt, ob’s mir nicht gut ginge, ich krank sei? Nein, dadurch, dass ich nur im Auto war wenn ich zur Arbeit gefahren bin, den halben Tag arbeiten, nachmittags oder abends (je nach Schicht) müde nach Hause gekommen bin und dadurch insgesamt wenig draußen war… klar, dass man dann so bleich wird. Auch so universal wichtige Grundbedürfnisse wie aureichend Trinken und Essen… Es wurde für mich zum notwendigen Automatismus, um überhaupt arbeiten zu können. Ich tat es nicht mehr, weil ich mich irgendwie dafür belohnen wollte, weil ich mir was Gutes tun wollte… nur damit ich anderen helfen konnte, die auf meine Hilfe angewiesen waren.

So ging es über mehrere Wochen. Ich betete nicht mehr. Ging nicht mehr in die Kirche. In dieser Zeit sang ich nicht mehr, weder die Gesänge von Taizé und sei es nur für mich in meinem Zimmer, noch im Kirchenchor. Ich sagte auch komplett für die Karwoche und Ostern ab – mein Chorleiter war am Verzweifeln, weil ich gemeinsam mit einer anderen Soli gesungen hätte und ich nunmal mit den Gesängen von Taizé am besten vertraut war. Statt zu singen, arbeitete ich die gesamte Woche. Es war komisch, fühlte sich seltsam an, alles nur so am Rand mitzubekommen… und am Gründonnerstag schon von Ostern zu hörn, wenn man gerade seine halbstündige Pause hat und im 1. Stock grad Gottesdienst ist. Ich hab auch da zuerst weniger an mich gedacht. Die armen Leute, jetzt sind sie schon so dement, klammern sich an diese Riten und Bräuche, finden darin noch etwas Halt… und dann schafft es eine Einrichtung nicht, dass die Feiertage auch noch so gefeiert werden, wie sie gehören. Das hat mich traurig gemacht. Ich hab auch später noch am Abend, während der abendlichen Versorgung mit einigen fitteren Bewohnern darüber geredet und sie brachten mir auch deutlich gegenüber zum Ausdruck, dass sie es nicht in Ordnung fanden, wie der Ablauf der Karwoche war. „Aber schaun’s, Schwester Simone, überall fehlt das Personal. Auch dem Herrgott geht das Personal aus. Wer will denn heutzutag noch Pfarrer werd’n? Nach all dem, was passiert is? Oder wer außer Ihnen geht noch in die Pflege, macht eine pflegerische Ausbildung – und macht des alles mit so viel Freude und Herz, so wie Sie? Ganz wenig. Und die, die’s machen, die werd’n ausg’nutzt vo hint bis vorn. Lassen’S sich net z’arg einspannen, mir brauchen Sie noch!“ Was sollte ich dazu sagen?

Im Verlauf dieser Wochen wurde mir mit der Zeit klar, dass ich in einer massiven Glaubenskrise steckte. Gleichzeitig noch in der Trauerphase steckte, aber nicht wirklich trauern konnte. Schweigen, das wurde mir schnell klar, würde mir auf die Dauer nur schaden als helfen. Ich flüchtete mich ins Schreiben, aber auch da kam ich schnell zu dem Punkt wo ich merkte: Du brauchst einen Gegenüber, der dir auch Rede und Antwort stehen kann, der dir vielleicht einen Weg zeigen kann oder zumindest einen Rat geben kann. Ich kürze ab: Mit über 60 Menschen habe ich in diesem Zeitraum über meinen Glauben, Gott, Leben und Tod, Auferstehung, Trauer und inner Leere gesprochen. Nicht jedes Gespräch lief gut, einer hat es geschafft, dass ich noch verzweifelter und mit Tränen in den Augen gegangen bin als ich gekommen war. Manches Mal war ich auch nach so einem Gespräch wütend. Wütend, weil ich so eine Antwort nicht erwartet hätte von demjenigen. Manchmal verletzt, weil ich das Gefühl hatte, meine Freundin auch noch verteidigen zu müssen für ihre Entscheidung. Wo mich doch ihre sichtbare Abwesenheit genauso schmerzte.

Als Fazit dieser Gespräche hab ich vor allem mitgenommen: Er lässt uns nie allein und ist auch noch in der finstersten Nacht bei uns. Ihm können wir alles sagen, selbst wenn es nur ein Seufzer ist.

Was mir auch sehr geholfen hat, war eine Woche Taizé, Gespräche mit Frère Francis und Frère Timothee. Gestärkt und voller Zuversicht kam ich zurück, ging voller Elan an die Arbeit…

…und rutschte mit ein paar Tagen Unterbrechung von einer Glaubenskrise in die nächste. (Davon kann ich euch nichts erzählen, weil es noch nicht „abgeschlossen“ ist. Für manche vielleicht schwierig zu verstehen, aber… es liegt zu vieles in Trümmern und ich muss mich da langsam vorarbeiten, schauen, was noch übrig geblieben ist, wo ich wirklich sagen kann „dazu steh ich, das seh ich genauso“. So weit bin ich noch nicht und das wird Zeit brauchen. )

Falls euch Einzelheiten zu den Gesprächen interessieren oder ihr sonst Fragen habt: Ihr wisst, wie ich zu erreichen bin, bis bald,

Eure Simone

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